Simson Cohen

Sparkasse an Volme und Ruhr NS-Vergangenheit

Wer Vertrauen verwaltet, muss sich der Vergangenheit stellen

Christoph Heubner, Exekutiv Vizepräsident Internationales Auschwitz Komitee, sagt zu BILD: 

Das Verhalten der Sparkasse Hagen und ihrer verantwortlichen Direktion ist skandalös.

Es reicht nicht, die Überlebenden einmal im Jahr zu feiern. Die Nutznießer der Morde sind unter uns und das OLG entscheidet wie bei einem Gewährleistungsfall.

Christoph Partsch  Senior Partner at Partsch & Partner bei Kanzlei Partsch

Pressestatement vom 7. Mai 2025:  Urteil OLG Hamm

Wir haben nach dem Verhandlungstermin die Abweisung unserer Berufung erwartet, sind aber gleichwohl sehr enttäuscht. Das Oberlandesgericht Hamm hat die Einrede der Verjährung der Sparkasse Hagen (Sparkasse an Volme und Ruhr) im Fall der Enteignung des Bankguthabens von Arthur Levy während der NS-Zeit bestätigt.
Dieses Urteil verkennt die historische Verantwortung der Sparkasse Hagen und widerspricht dem Grundsatz, dass nationalsozialistisches Unrecht nicht verjähren darf. Arthur Levy, mein Grossvater und schweizerischer Staatsbürger, wurde in den 1930er Jahren Opfer eines nationalsozialistischen Verbrechens, als ihm die Auszahlung seines rechtmässigen Guthabens bei der Sparkasse Hagen verweigert wurde. Trotz wiederholter Versuche, sowohl durch ihn als auch durch mich als Nachkommen, Auskunft über das Konto zu erhalten, blieb die Sparkasse untätig. Zudem bestritt die Sparkasse mehrmals den Bestand des Bankkontos noch bis zur Einreichung der Klage und verweigert bis heute die Herausgabe relevanter Informationen.
Sowohl der Kontoinhaber wie auch ich haben nie die faire Chance erhalten, Ansprüche auf das Bankguthaben zu stellen, weshalb die Einrede der Verjährung sowohl moralisch verwerflich wie auch rechtswidrig ist.
Das vorprozessuale Verhalten der Sparkasse Hagen bleibt dabei ausschlaggebend.
Das heutige Urteil ignoriert nicht nur die Verpflichtung zur Wiedergutmachung, sondern setzt auch ein fatales Zeichen: es suggeriert, dass institutionelles Schweigen über nationalsozialistische Verbrechen und die Verweigerung von Transparenz belohnt werden können. Dies steht im Widerspruch zur Staatsraison der Bundesrepublik Deutschland, die Aufklärung und Wiedergutmachung von nationalsozialistischen Verbrechen als prioritär und unverzichtbar anerkennt.
Wir werden dieses Urteil nicht akzeptieren. Eine Revision vor dem Bundesgerichtshof wird eingelegt. Die Frage der Verjährung von enteigneten Bankguthaben während der NS-Zeit und die Verantwortung der Sparkasse muss auf höchstrichterlicher Ebene geklärt werden.

Richtigstellung zur Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Hamm vom 07.05.2025:

das Oberlandesgericht Hamm geht in seiner Pressemitteilung vom 07.05.2025 davon aus, dass die Verjährungsfristen so lang bemessen seien, „dass auch die von nationalsozialistischen Unrecht Betroffenen eine faire Chance hätten, ihre Ansprüche noch rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung geltend zu machen. Dies gelte auch für den hier entschiedenen Einzelfall…“
Diese Aussage des OLG Hamm müssen wir richtigstellen. Der Kläger hat erst im November 2019 aufgrund von schweizerischen Bundesarchivunterlagen erfahren, dass sein Grossvater Arthur Levy ein Konto bei der Sparkasse Hagen hatte, das ihm während der NS-Herrschaft enteignet und die Auszahlung entsprechend verweigert wurde. Weder der Kontoinhaber noch der Kläger konnten deshalb ihre Ansprüche auf das Bankguthaben noch rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung geltend machen; das sind aktenkundige und dem OLG Hamm bekannte Tatsachen. Aufgrund des vorprozessualen Verhaltens der Sparkasse Hagen, welche den Bestand des Kontos noch bis zur Einreichung der Klage im Jahr 2020 bestritt, ist die Einrede der Verjährung zudem rechtswidrig (Treu und Glauben).

Schriftliche Begründung des Urteis des OLG Hamm vom 7. Mai 2025

In der schriftlichen Begründung des Urteis vom 7. Mai 2025 hat das Oberlandesgericht Hamm den folgenden bedeutenden Sachverhalt nicht in der Entscheidfindung berücksichtigt:
1. die Sparkasse an Volme und Ruhr hat den Bestand des Bankguthabens von Arthur Levy vor Klageeinreichung zweimal schriftlich – entgegen den Akten – gegenüber dem Kläger verneint (kein Konto vorhanden);
2. das Bankguthaben wurde zur Finanzierung der Kriegskasse während der nationalsozialistischen Herrschaft enteignet;
3. die zivilrechtliche Verjährungsfrist von 30 Jahren darf für dieses
NS- Verbrechen nicht angewendet werden, zumal
a) der Kläger erst im November 2019 vom Bestand des Kontos erfahren hat
b) die Sparkasse an Volme und Ruhr gemäss der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Bundesstudie «Social Impact Fonds» (Schalast und Partner Rechtsanwälte, 2021, vgl.
https://simson-cohen.de/nachrichtenlose-Vermoegenswerte/) die Pflicht hatte, alle Kommunikationskanäle zu nutzen, um den erbberechtigten Nachkommen des Kontoinhabers Arthur Levy noch vor Ende der Verjährungsfrist ausfindig zu machen
c) die Einrede der Verjährung aufgrund der Falschinformation über den Bestand des Kontos (vor Klageeinreichung) ein Verstoss gegen Treu und Glauben darstellt (rechtswidrig).
Die urteilenden Richter am Oberlandesgericht Hamm: Lemken, Dr. Telg gen.
Kortmann, Dr. Züllighoven  Quelle:  Süddeutsche Zeitung / 7. Mai 2025

Für Presseanfragen: kontakt@simson-cohen.de

Enteignung von jüdischen Vermögen – ein dringender Aufruf zur Aufarbeitung!

Der Name Simson Cohen steht stellvertretend für das an jüdische Mitbürger/-innen während der NS-Diktatur begangene Unrecht und das dadurch verursachte unsägliche Leid.

SA-Schergen haben die Liegenschaft von Simson Cohen am Hohen Graben 2 in Hagen (jetzt Volme Haus, NRW) in den 30er Jahren überfallen, die Möbel demoliert, das Klavier in die Volme geworfen, den Hund erschossen und Simson Cohen brutal zusammengeschlagen. Er musste daraufhin mit seiner Familie in die Schweiz nach Bern flüchten und ist dort seinen Verletzungen aufgrund des Überfalls erlegen. Die Liegenschaft am Hohen Graben 2 wurde von der Stadt Hagen übernommen (Enteignung) und mittels Strohmänner an Private verkauft.

Aufgrund der alliierten Militärgesetze hat nach Ende des 2. WK das Entschädigungsamt der Stadt Hagen mit den Erben von Simson Cohen Verhandlungen über eine Entschädigung der enteigneten Liegenschaft geführt. Die Erben wurden von der jüdischen Gemeinde Dortmund vertreten. Ein rechtsgültiger Vergleich ist dabei jedoch nicht zustande gekommen; die notwendige schriftliche Zustimmung der Stadtvertretung Hagen fehlt bis heute. Auch der leitende Historiker der Stadt Hagen konnte diesbezüglich nicht weiterhelfen. Der in der Schweiz lebende Nachkomme von Simson Cohen wird deshalb noch eine Auskunftsklage einreichen, um zu erfahren, ob die schriftliche Zustimmung der Stadtvertretung vorhanden ist.

Ein weiterer beim Oberlandesgericht Hamm (NRW) hängiger Rechtsfall betrifft die Enteignung des Bankguthabens von Arthur Levy, Schwiegersohn von Simson Cohen, bei der damaligen Sparkasse Hagen während der NS-Zeit in den 30-Jahren (heute Sparkasse an Volme und Ruhr). Sowohl Simson Cohen wie auch Arthur Levy hatten ein Bankkonto bei der Sparkasse Hagen. Simson Cohen verfügte zudem über ein Wertschriftendepot, das auch enteignet wurde. Dieser Rechtsfall steht auch im Zusammenhang mit der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studie über nachrichtenlose Vermögenswerte (Social Impact Fonds). Dort wird ersichtlich, dass die deutschen Sparkassen ihrer Buchführungspflicht über nachrichtenlose Vermögenswerte nicht genügend nachgekommen sind (sog. „schlafende Konten“); es müssen von einer Bank alle Kommunikationskanäle benutzt werden, um erbberechtigte Nachkommen von Kontoinhaber ausfindig zu machen. Es kann davon ausgegangen werden, dass noch einige Milliarden EUR an „schlafenden Konten“ in Deutschland vorhanden sind. Die Sparkasse Hagen (zu Volme und Ruhr) hat jedoch nie irgendwelche Nachforschungen über mögliche Nachkommen von Arthur Levy gemacht, welche Ansprüche auf das Kontoguthaben stellen könnten. Auch nach Kontaktaufnahme seitens des Nachkommen von Arthur Levy, hat die Sparkasse an Volme und Ruhr keine Anstrengungen unternommen, das Gespräch mit dem Nachkommen aufzunehmen. 

Im Zusammenhang mit der erwähnten Studie über nachrichtenlose Vermögenswerte gibt es aktuell Versuche der Sparkassen nach dem Informationsfreiheitgesetz (IFG) NRW nicht mehr über personenbezogene Konten berichten zu müssen. Die angehörten Sachverständigen lehnen jedoch diese Änderungen des IFG NRW ab. 

Der Fall Simson Cohen und Arthur Levy zeigt eindringlich auf, dass nationalsozialistisches Unrecht immer justiziabel sein muss und der deutsche Staat weiterhin in der Pflicht steht Aufklärungsarbeit im Zusammenhang mit der Enteignung von jüdischen Vermögen zu leisten. Die Gerechtigkeit hat kein Verfallsdatum. 

Der moralischen und finanziellen Wiedergutmachung des vom NS-Regime verübten Unrechts hat die Bundesrepublik Deutschland seit jeher eine besondere Priorität beigemessen. Den Worten müssen nun Taten folgen.

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HERAUSGABE VON JUDEN-ORDNER DURCH SPARKASSE HAGEN

In der Westfalenschau vom 9. August 1995 wurde ein Artikel veröffentlicht, bei dem ersichtlich ist, dass die Sparkasse Hagen (Sparkasse an Vollme und Ruhr) in ihrem Archiv historisch wertvolle und brisante Akten über die Enteignung von Konten jüdischer Hagener aufbewahrt.

Die Sparkasse Hagen wurde deshalb angefragt, in diese Akten Einsicht zu erhalten. Die Einsicht wurde bis heute nicht gewährt. Die Sparkasse Hagen hat sogar ein Antrag an das Verwaltungsgericht Arnsberg gestellt, die Akten gemäss IFG NRW nicht herausgeben zu müssen (Antrag Sparkasse Hagen), unter anderem mit der Argumentation, dass das Gesuch um Herausgabe der Akten nicht präzise genug sei (Bestimmtheitsgebot) und die Kundendaten der jüdischen Kontoinhaber aufgrund des Bankgeheimnis geschützt seien.

Eine solche Argumentation ist überhaupt nicht nachvollziehbar und stellt ein Hohn gegenüber den jüdischen Opfern der Enteignungen während der NS-Zeit dar. Sowohl die jüdischen Kontoinhaber wie auch die Erben haben ein Interesse an einer vollständigen Transparenz, was mit den enteigneten Guthaben geschehen ist, sowie auch ein Interesse an einer angemessenen Entschädigung. Das Bankgeheimnis kann auf diese Fälle nicht angewendet werden!

Zeitungsartikel Westfalenschau vom 9. August 1995

2 Antworten

  1. Ich finde es skandalös, wie sich die Banken der Verantwortung entziehen. Es darf nicht sein, dass Gelder aus der Nazizeit, nicht dem rechtmässigen Erben, zugesprochen wird.

  2. Der vorliegende Fall, in dem sich die Sparkasse Hagen-Volme weigert, das Vermögen eines jüdischen Bürgers beziehungsweise seiner Erben herauszugeben, stellt einen beispiellosen Vorgang dar, der sowohl moralisch als auch rechtlich in höchstem Maße bedenklich ist. Nach der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung könnte ein solches Verhalten durchaus als banden- und gewerbsmäßiger Betrug qualifiziert werden. Die Sparkasse war nie Eigentümerin dieses Vermögens, sondern lediglich dessen Verwalterin und Besitzerin. Eigentümer waren und sind allein die ursprünglichen Vermögensinhaber – in diesem Fall die jüdischen Großeltern – sowie ihre Erben und heutigen Anspruchsteller.

    Rechtliche Grundsätze sind klar definiert
    Ein Besitzer, der ohne Rechtsgrund in den Besitz fremden Eigentums gelangt, kann nicht durch bloßen Zeitablauf oder Nutzung zum Eigentümer werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Eigentümer das Eigentum nie wirksam entzogen wurde und die Erben zu keinem Zeitpunkt über den Verbleib oder die Existenz des Vermögens informiert wurden. Die rechtlichen Grundlagen dazu sind im deutschen Zivilrecht klar geregelt. Insbesondere § 985 BGB verleiht dem Eigentümer einen Herausgabeanspruch gegen den unrechtmäßigen Besitzer.

    Finanzielle Dimension und Eigenkapitalrendite
    Laut Schätzungen könnte der heutige Wert des einbehaltenen Vermögens – unter Berücksichtigung der jahrzehntelangen Nutzung durch die Sparkasse als Eigenkapital – auf etwa fünf Millionen Euro angewachsen sein. Sparkassen erwirtschaften auf ihr Eigenkapital regelmäßig Renditen von 20 bis 40 Prozent. Dieses Vermögen wurde somit über Jahrzehnte hinweg ertragreich genutzt – allerdings ohne jegliche Information oder Beteiligung der rechtmäßigen Eigentümer.

    Moralische Verantwortung und gesellschaftliche Folgen
    Dass eine öffentliche Institution wie eine Sparkasse – die in besonderer Weise dem Gemeinwohl verpflichtet ist – eine solche Haltung einnimmt, ist ein Skandal größten Ausmaßes. Besonders schwer wiegt dieser Fall in Anbetracht der historischen Verantwortung gegenüber jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Deutschland. Die oft zitierte Staatsräson zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland wird ad absurdum geführt, wenn genau diese Menschen nach Jahrzehnten noch immer um ihr Eigentum betrogen werden.

    Aufruf zur Aufarbeitung und rechtlichen Wiedergutmachung
    Die Sparkasse Hagen-Volme wäre gut beraten, das Vermögen unverzüglich an die rechtmäßigen Erben herauszugeben. Es wäre angemessen, dieses Vermögen rückwirkend als geduldetes Darlehen zu bewerten und es mit mindestens neun Prozent Zinsen zu verzinsen. Gleichzeitig sollten betroffene Bürgerinnen und Bürger künftig dafür sorgen, dass ihre Erben durch ein klar formuliertes Testament bei Amtsgerichten benannt sind – einschließlich aktueller Kontaktdaten und gegebenenfalls eines Nacherben.

    Vertrauensverlust und Konsequenzen
    Es stellt sich die grundsätzliche Frage, wie viele Sparkassen noch immer über namenlose Vermögenswerte verfügen und es versäumt haben, die rechtmäßigen Eigentümer zu ermitteln. Ein solches Verhalten beschädigt das Vertrauen in öffentlich-rechtliche Kreditinstitute nachhaltig. Es wäre ein deutliches Signal, wenn Bürgerinnen und Bürger überdenken würden, ob ihre Gelder bei Institutionen gut aufgehoben sind, die in solchen Fällen keine Bereitschaft zur Aufarbeitung zeigen.

    Schlussgedanken
    Dieser Fall verdeutlicht auf schmerzhafte Weise eine Doppelmoral in unserem Land. Einerseits wird mit Worten beteuert, wie wichtig die Aufarbeitung der Vergangenheit und der Schutz jüdischen Lebens ist, andererseits erleben Betroffene weiterhin strukturelles Unrecht. Es bleibt zu hoffen, dass die Betroffenen zu Lebzeiten Gerechtigkeit erfahren und nicht erneut einer kaltherzigen Verwaltungspraxis zum Opfer fallen.

    In diesem Sinne,
    mit der Hoffnung auf Einsicht, rechtliche Klarheit und moralische Größe
    M.

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