Simson Cohen

Klage gegen Sparkasse an Volme und Ruhr

A. VORGESCHICHTE

Aufgrund der Recherchen des Hagener Künstler Dietmar Schneider hat der Nachkomme von Simson Cohen (Urgrossvater) und Arthur Levy (Grossvater) im Schweizerischen Bundesarchiv in Bern im November 2019 den Hinweis gefunden, dass Simson Cohen für die Heirat von Arthur Levy mit seiner Tochter Erna Levy dem Schwiegersohn eine Mitgift auf ein Konto der damaligen Sparkasse Hagen (NRW, heute Sparkasse an Volme und Ruhr) überwies (Anfang der 30-er Jahre); die Mitgift war grosszügig und stellte eine beträchtliche Summe dar.

Arthur Levy war schweizerischer Staatsbürger und hatte seinen Wohnsitz in Bern, Schweiz. Aufgrund der  diskriminierenden Devisenbestimmungen in Deutschland in den 30-er Jahren wurde ihm die Auszahlung des Bankguthabens in die Schweiz verweigert. Arthur Levy versuchte noch vergeblich über das Schweizerische Aussenministerium (heute EDA) und die damalige schweizerische Gesandtschaft in Berlin zu erreichen, dass die Schweiz bei den zuständigen Behörden in Deutschland interveniert, damit das Guthaben überwiesen werden kann.  Das Schweizerische Aussenministerium hatte Arthur Levy jedoch aufgefordert, selber zu beweisen, dass er sein Geld aufgrund einer Notlage benötigt (Härtefall).

B. KONTAKTAUFNAHME MIT SPARKASSE

Die Sparkasse an Volme und Ruhr wurde deshalb vom Nachkommen im November 2019 schriftlich angefragt, ob noch ein Bankguthaben von Arthur Levy vorhanden ist. Die Sparkasse hat dies, im Widerspruch zu den vorhandenen Akten, ausdrücklich verneint und erst nach Klageeinreichung des Nachkommen beim Landgericht Hagen bestätigt, dass ein Konto vorhanden ist. Es wurden diesbezüglich auch noch weitere Akten über den Bestand des Kontoguthabens in den deutschen Landesarchiven gefunden (u.a. Landesarchiv Münster).

C. KLAGE

Aufgrund der Antwort der Sparkasse, dass kein Konto vorhanden ist, hat der Nachkomme beim Landgericht Hagen eine Auskunfts- und Leistungsklage in Bezug auf das Bankguthaben von Arthur Levy eingereicht. Die Sparkasse hat in ihrer Klageantwort den Bestand des Guthabens in den 30-er Jahren bestätigt; allerdings wurde die Einrede der Verjährung erhoben (Währungsumstellungsgesetz, zivilrechtliche Verjährungsfristen).

Die Sparkasse hat auch darauf hingewiesen, dass das Konto von Arthur Levy im Jahr 1937 aufgelöst worden ist, wofür es jedoch keine aktenkundige Beweise gibt. Zudem hat die Sparkasse darauf hingewiesen, dass die relevanten Akten aufgrund der Bombadierung der Allierten nicht mehr auffindbar sind; diese Behauptung konnte in der Zwischenzeit von einem Historiker widerlegt werden. Das Archiv der damaligen Sparkasse Hagen hat die Bombadierung unbeschadet überstanden.

Das Landgericht Hagen hat die Klage des Nachkommen in seinem Urteil vom 11. Dezember 2023 abgewiesen und ist dabei im Wesentlichen den Ausführungen der Sparkasse gefolgt.

Das Landgericht Hagen ist kürzlich aufgrund eines Freispruchs beim NS-Prozess gegen Siert Bruins auch in die Schlagzeilen geraten.

Der Nachkomme hat die Berufung beim Oberlandesgericht Hamm (NRW) eingereicht. Das Oberlandesgericht (OLG) hat an der Berufungsverhandlung vom 26. März 2025 die Verjährung der Ansprüche gegenüber der Sparkasse Hagen (an Volme und Ruhr) geprüft und ist in einer vorläufigen Einschätzung zum Schluss gekommen, dass die Verjährung  vermutlich eingetreten ist. Die Anträge des Klägers (Akteneinsicht, Entschädigung) wurden damit nicht mehr einer weiteren Überprüfung unterzogen. Das definitive Urteil wird am 7. Mai erwartet. 

D.  NACHRICHTENLOSE VERMÖGENSWERTE

Die Sparkasse Hagen (an Volme und Ruhr) hat nie irgendwelche Nachforschungen über mögliche Nachkommen von Arthur Levy gemacht, welche Ansprüche auf das Kontoguthaben stellen könnten. Auch nach Kontaktaufnahme seitens des Nachkommen von Arthur Levy, hat die Sparkasse an Volme und Ruhr keine Anstrengungen unternommen, das Gespräch mit dem Nachkommen aufzunehmen.

In der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studie über nachrichtenlose Vermögenswerte (Social Impact Fonds) wird diesbezüglich jedoch klar zum Ausdruck gebracht, dass alle möglichen Kommunikationskanäle benutzt werden müssen, um Erben von Bankguthaben ausfindig zu machen.

In dieser Studie wird auch ersichtlich, dass bis zu diesem Zeitpunkt die deutschen Sparkassen noch in der Pflicht stehen ihre Buchführung in Bezug auf nachrichtenlose Vermögenswerte offenzulegen.

Es kann davon ausgegangen werden, dass mehrere Milliarden EUR Guthaben in sog. „schlafenden Konten“ in Deutschland vorhanden sind.

E.  RECHTLICHE BEURTEILUNG

Im Rechtsfall gegen die Sparkasse Hagen (an Volme und Ruhr) geht es darum abzuklären, welche Partei die Beweislast hat, was mit dem Bankguthaben von Arthur Levy nach Sperrung des Guthabens genau geschah, welcher Betrag noch vorhanden ist, sowie wer die Folgen einer Beweislosigkeit tragen muss (aus unserer Sicht die Sparkasse: wenn widerrechtlich Geld von einem Bankkonto durch einen Dritten abgezogen wird, so muss dies grundsätzlich immer die Bank beweisen, was genau mit dem Guthaben geschehen ist !).

Das Landgericht Hagen ging in seinem Urteil vom 11. Dezember 2023 aufgrund der Ausführungen der Sparkasse davon aus, dass das Konto von Arthur Levy im Jahr 1937 aufgelöst worden ist und/oder sukzessive abgebaut wurde, wofür es jedoch keinen aktenkundigen Beweis gibt.

Unvollständig sind auch die Urteilsausführungen des Landgerichts Hagen zur Frage der Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen der Sparkasse und Arthur Levy. Dieses Vertragsverhältnis kann jedenfalls nicht mit einer irgendwie gearteten Saldierung des betreffenden Kontos erfolgt sein. Über eine Kündigung ist nichts erwähnt und von der beklagten Sparkasse nicht vorgetragen worden.

Die beklagte Bank hatte nach der Wiederherstellung rechtsstaatlicher Zustände in der damaligen Bundesrepublik Deutschland allen Anlass und im Hinblick auf das fortbestehende Vertragsverhältnis auch allen Grund, sich nach dem Verbleib des Klägers bzw. Nachkommen von Arthur Levy  zu erkundigen sowie den Inhalt der Kontobeziehungen zu aktualisieren. Eine Sicherungspflicht der relevanten Bankdokumente bestand bereits während des Krieges.

Das Landgericht Hagen hatte zudem die Frage aufgeworfen, ob es rechtsmissbräuchlich ist, dass die Sparkasse sich auf den Eintritt der Verjährung beruft. Dabei hat das Gericht nicht nur die Frage nach dem Fortbestehen des Vertragsverhältnisses  unzureichend gewürdigt, sondern das vorwerfbare Verhalten der Sparkasse,  im Sinne der damaligen NS-Doktrin und damit schuldhaft, unberücksichtigt gelassen.

Die Einrede der Verjährung kann auf diesen Fall einer verbrecherischen Enteignung eines Bankguthabens während der NS-Zeit nicht angewendet werden (Ergebnis wäre äusserst ungerecht); aufgrund von Art. 242 BGB ist somit der Grundsatz von Treu und Glauben verletzt. Die Gerechtigkeit hat kein Verfallsdatum.

In Bezug auf die Anwendung der Verjährungsfristen hat uns gerade die Deutsche Bank auch schriftlich bestätigt, dass Anfragen zu Konten jüdischer Kunden in der NS-Zeit bei dieser Bank immer individuell untersucht werden und Verjährungsfristen dabei keine Rolle spielen (Bestätigung Deutsche Bank)

Das Verhalten der Sparkasse während der NS-Zeit ist ausschlaggebend, nationalsozialistisches Unrecht muss immer justiziabel sein. Der moralischen und finanziellen Wiedergutmachung des vom NS-Regime verübten Unrechts hat die Bundesrepublik Deutschland seit jeher eine besondere Priorität beigemessen. Den Worten müssen nun Taten folgen. Die Enteignung des Bankguthabens von Arthur Levy (Grossvater des Klägers) ist ein nationalsozialistisches Verbrechen. Aufklärung und Wiedergutmachung von NS-Unrecht sind Staatsraison der Bundesrepublik Deutschland. Bei zahlreichen Banken in Deutschland sind noch Konten von jüdischen Eigentümer vorhanden, welche in der NS-Zeit enteignet wurden (Sparkasse Frankfurt, Banken in der NS-Zeit, Nachrichtenlose Vermögenswerte).

Die Prüfung der Ansprüche des Klägers gegen die Sparkasse Hagen kann sich somit nicht nur auf mögliche Verjährungsfristen beschränken, dies ungeachtet davon, dass es sich um individuelle Ansprüche in einem Zivilprozess handelt. Der Einwand der Sparkasse, dass bis zum Ablauf der Verjährungsfrist (1979) hinreichend Gelegenheit  bestand, dass Ansprüche auf das Bankguthaben gestellt werden konnten, widerspricht den Tatsachen . Sowohl der Kontoinhaber Arthur Levy (Schweizer Staatsbürger, gestorben 1954) wie auch der Kläger als Nachkommen hatten die Sparkasse bereits erfolglos aufgefordert, über den Bestand des Guthabens Auskunft zu geben bzw. das Guthaben auszuzahlen. Die Sparkasse Hagen hatte Arthur Levy aufgrund von diskriminierenden NS-Vorschriften die Auszahlung des Guthabens in den 30-er Jahren in die Schweiz verweigert und dem Kläger im Jahr 2020 – vor Einreichung der Klage beim Landgericht Hagen – schriftlich und entgegen den vorhandenen Akten mitgeteilt, dass keine Geschäftsbeziehung mit Arthur Levy bestand. Der Kläger hat somit keine faire Chance erhalten, seinen Anspruch auf das Kontoguthaben des Grossvaters Arthur Levy bei der Sparkasse geltend zu machen; infolgedessen ist es gemäss geltender Rechtsprechung  nicht zulässig, sich auf die Verjährung zu berufen (Treu und Glauben). Das vorprozessuale Verhalten der Sparkasse Hagen spricht gegen die Verjährung. 

F. HERAUSGABE VON JUDEN-ORDNER

In der Westfalenschau vom 9. August 1995 wurde ein Artikel veröffentlicht, bei dem ersichtlich ist, dass die Sparkasse Hagen (Sparkasse an Vollme und Ruhr) in ihrem Archiv historisch wertvolle und brisante Akten über die Enteignung von Konten jüdischer Hagener aufbewahrt Zeitungsartikel Westfalenschau vom 9. August 1995

Die Sparkasse Hagen wurde deshalb angefragt, in diese Akten Einsicht zu erhalten. Die Einsicht wurde bis heute nicht gewährt. Die Sparkasse Hagen hat sogar ein Antrag an das Verwaltungsgericht Arnsberg gestellt, die Akten gemäss IFG NRW nicht herausgeben zu müssen (Antrag Sparkasse Hagen), unter anderem mit der Argumentation, dass das Gesuch um Herausgabe der Akten nicht präzise genug sei (Bestimmtheitsgebot) und die Kundendaten der jüdischen Kontoinhaber aufgrund des Bankgeheimnis geschützt seien.

Eine solche Argumentation ist überhaupt nicht nachvollziehbar und stellt ein Hohn gegenüber den jüdischen Opfern der Enteignungen während der NS-Zeit dar. Sowohl die jüdischen Kontoinhaber wie auch die Erben haben ein Interesse an einer vollständigen Transparenz, was mit den enteigneten Guthaben geschehen ist, sowie auch ein Interesse an einer angemessenen Entschädigung. Das Bankgeheimnis kann auf diese Fälle nicht angewendet werden.

Facebook
XING
LinkedIn
WhatsApp
Email
Print