Nachrichtenlose Vermögenswerte
Die deutsche Bundesregierung hat eine Studie über nachrichtenlose Vermögenswerte in Auftrag gegeben (Abschlussbericht für Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, erstellt von Schalast Partner und Rechtsanwälte mbB, Frankfurt am Main 30. April 2021, Rechtsgutachten zur möglichen Überführung der Mittel aus nachrichtenlosen Konten in einen neu einzurichtenden Social Impact Fonds – der Download der Studie wird demnächst auf dieser Seite zur Verfügung gestellt). Weitere Informationen hierzu können auch der Webseite des Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland (SEND) entnommen werden.
In dieser Bundesstudie wird ersichtlich, dass die deutschen Sparkassen ihrer Buchführungspflicht über nachrichtenlose Vermögenswerte und damit auch von enteigneten jüdischen Bankguthaben nicht genügend nachgekommen sind (sog. „schlafende Konten“); es müssen diesbezüglich von einer Bank alle möglichen Kommunikationskanäle benutzt werden, um erbberechtigte Nachkommen von Kontoinhaber ausfindig zu machen. Es kann davon ausgegangen werden, dass noch einige Milliarden EUR an „schlafenden Konten“ in Deutschland vorhanden sind.
In der Studie wird offengelegt, dass nur 9 Prozent der angefragten Sparkassen nachrichtenlose Vermögenswerte gemeldet haben (S. 33, N130).
Bedeutend ist auch der Hinweis auf S. 55, N11 der Bundesstudie: Eigentum im Sinne von Art. 14 GG umfasst alle vermögenswerten Rechte, die dem Einzelnen durch die Rechtsordnung zugewiesen sind und diesem eine private Nutzungs- und Verfügungsbefugnisse einräumen. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff geht damit über den zivilrechtlichen Eigentumsbegriff hinaus und erstreckt sich insbesondere nicht nur auf Eigentum an Sachen. Nachrichtenlose Vermögenswerte, insbesondere also Kontoguthaben und Wertpapierdepots und Ähnliches, fallen somit unter den Eigentumsbegriff des Art. 14 GG.
S. 60, N26 der Bundesstudie: Auf nationaler Ebene gibt es bisher lediglich eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs („BFH“), die im Steuerbilanzrecht den Begriff „unbewegter“ Konten aufgreift. Diese knüpft an das Merkmal der Kontobewegung an. Die Entscheidung betrifft allerdings die Frage der Passivierungspflicht von Verbindlichkeiten und kommt zu folgenden Feststellungen:
1. Ein Kreditinstitut darf die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr geltend gemachten Sparguthaben nicht mehr passivieren.
2. Es besteht kein Erfahrungssatz, dass danach sämtliche Verbindlichkeiten aus 30 und mehr Jahren unbewegten Sparkonten auszubuchen sind.
Andererseits besteht auch kein Erfahrungssatz, dass alle Forderungen aus Sparkonten, die weniger als 30 Jahre nicht bewegt wurden, nicht geltend gemacht werden.
Mit anderen Worten, die Ausbuchung an Ertrag „darf“ ein Kreditinstitut erst dann vornehmen, wenn „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ die entsprechenden Guthaben „nicht mehr geltend gemacht“ werden. Gleichzeitig existiert aber kein Erfahrungssatz, dass 30 Jahre dafür ausreichen würden.
S. 62 ff. N231 / N232 / N236 der Bundesstudie: Es wäre nicht interessengerecht solche Vermögenswerte nach Ablauf von 10 Jahren aufgrund der Nachrichtenlosigkeit über das Trägerinstitut in einen Social Impact Fonds zu überführen, wenn ein einfacher Kontaktversuch des Instituts mit dem Kontoinhaber ohne weiteres möglich gewesen wäre. Der Begriff „nachrichtenlos“ setzt zudem schon nach seinem Wortlaut das Fehlen einer Nachricht, also eines Kontakts, voraus. Insoweit könnte der Begriff „nachrichtenlos“ an die Tatsache anknüpfen, dass das Institut den Kontakt zu den Berechtigten verloren hat und es dem Institut auch nicht gelingt, diesen Kontakt wiederherzustellen. Für das Bejahen oder Verneinen dieses Merkmals könnte die Art und Anzahl der Versuche relevant sein, mit dem zuletzt bekannten Kontoinhaber Kontakt aufzunehmen bzw. die Art und Weise, diesen ausfindig zu machen.
Als nachrichtenlos könnten solche Assets gelten, bei denen innerhalb der letzten 10 Jahre keinerlei Transaktion oder Kommunikation stattgefunden hat und das Institut einen ersthaften, aber erfolglosen Versuch unternommen hat, den Kontakt zu dem Kunden wiederherzustellen und hierbei alle zumutbaren Kommunikationswege ausgeschöpft hat.
Im Zusammenhang mit dieser Bundesstudie gibt es aktuell Versuche der Sparkassen nach dem Informationsfreiheitgesetz (IFG) NRW nicht mehr über personenbezogene Konten berichten zu müssen. Die angehörten Sachverständigen lehnen jedoch diese Änderungen des IFG NRW ab.